Vier Teile lang habe ich dir nun in meiner Artikel-Reihe zum Thema Über Emotionen schreiben erklärt, wie wichtig es ist, dass du deine Geschichten emotional gestaltest und deine Figuren gefühlsseitig durch Höhen und Tiefen gehen lässt. Und wenn du jetzt schon ganz begeistert drauflos schreiben und so richtig emotional werden willst, bremse ich dich noch einmal kurz aus. Denn es kann auch zu viel des Emotionalen werden. Daher zeige ich dir im fünften Teil der Reihe, woran du erkennen kannst, dass du es übertrieben hast.
Warum zu viel des Emotionalen auch nicht gut ist
Emotionen reißen mit und verbinden uns mit den Figuren einer Geschichte. Sie ermöglichen es uns, uns in andere hineinzuversetzen und Mitgefühl zu entwickeln. Wenn es jedoch zu viel des Emotionalen wird, kippt genau das alles um. Dann wirken diese Gefühle wie eine Art emotionale Erpressung zum Mitleid oder zur Begeisterung. Wenn meine Hauptfigur auf jeder Seite einen emotionalen Höhenflug oder Absturz erlebt, sage ich meinen Lesern damit: „Guckt mal, wie krass das alles bei dem ist, jetzt fühlt mal mit!“ Und damit erreiche ich natürlich genau das Gegenteil. Denn kein Leser möchte dazu gezwungen werden, mitzufühlen, einfach, weil die Gefühle so viele sind.
Durch ein Zuviel an Emotionen in deinen Texten distanziert der Leser sich eher, weil er die Geschichte vielleicht nicht mehr glaubwürdig findet, diese Emotionen gar nicht erst an sich herankommen lassen will und weil er durchschaut, dass dies dazu dient, etwas mit ihm zu machen. Und manipulieren möchte sich niemand lassen.
[perfectpullquote align=“full“ bordertop=“false“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Wenn es zu viel des Emotionalen wird, kippt alles um. Dann wirken Gefühle wie eine Art emotionale Erpressung zum Mitleid oder zur Begeisterung.[/perfectpullquote]
Die einzige Ausnahme hierzu bilden natürlich Romane oder Erzählungen, in denen es genau um diese Art von Emotionen geht, wenn du beispielsweise über jemanden mit einer bipolaren Störung schreibst und zeigst, wie dies sein Leben beeinflusst. Der Unterschied hier ist, dass die Emotionen damit das Thema deines Buchs sind und nicht ein Mittel, um deine Leser anzusprechen.
Fünf Zeichen, an denen du erkennen kannst, dass du zu viele Emotionen verwendest
Ein gesunder Mittelweg ist also das Ziel bei Emotionen. Wenn du dich wie ich beim Schreiben gerne von deinen eigenen Gefühlen tragen lässt, merkst du allerdings eventuell gar nicht, dass du schon zu viel des Emotionalen eingebaut hast. Für diesen Fall habe ich dir fünf Zeichen zusammengestellt, an denen du erkennst, wenn du es übertrieben hast.
Zeichen 1: Du benutzt zu viele Adjektive.
Adjektive sind selten die beste Lösung beim Schreiben, denn sie widersprechen dem Grundsatz „zeigen statt sagen„. Wenn du sehr viele Gefühls-Adjektive verwendest, ist das ein klares Anzeichen dafür, dass du es mit den Emotionen übertrieben hast. Beispiele dafür sind Sätze wie: „Er schaute verletzt“, „Sie zog sich enttäuscht zurück“ oder „Wütend warf sie die Tür hinter sich zu“. Mit solchen Sätzen machst du es dir einerseits sehr einfach, weil du deinen Lesern sehr plakativ sagst, wie deine Figuren sich fühlen. Andererseits führt eine Häufung dazu, dass deine Figuren wirken, als würden sie sich rein von ihren Emotionen steuern lassen.
[perfectpullquote align=“full“ bordertop=“false“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Adjektive sind selten die beste Lösung beim Schreiben, denn sie widersprechen dem Grundsatz „zeigen statt sagen„.[/perfectpullquote]
Zeichen 2: Du verwendest zu viele Verben, die auf Emotionen schließen lassen.
Deine Figur lächelt, strahlt, runzelt die Stirn oder zittert ständig? Mehr als alle Menschen, die du kennst? Dann thematisierst du die Emotionen tatsächlich zu plakativ und zu häufig in deinen Geschichten. Ja, es ist besser, deinen Helden lächeln zu lassen als zu schreiben „Er freute sich“. Aber wenn du dies ständig machst, ist das nur ein kleiner Umweg, um jede einzelne Szene emotionaler zu machen, selbst dann, wenn sie es gar nicht zu sein braucht. Denn ja, wir fühlen alle ständig irgendetwas, aber nicht in jeder Situation haben die Emotionen die Oberhand – oder spielen sie überhaupt eine Rolle für das Geschehen. Insofern achte auf diese Art Verben und versuche, sie nur dann einzusetzen, wenn es wirklich für die Geschichte wichtig ist.
Zeichen 3: Deine Figur hat starke emotionale Ausbrüche.
Wenn du nicht gerade ein Buch über genau solche Emotionen schreiben möchtest, sollte das Gefühlsleben deiner Figuren sich in einem nachvollziehbaren Bereich bewegen. Nicht jede dumme Äußerung erfordert ein wütendes Aufstampfen, nicht jede gute Nachricht einen freudigen Aufschrei. Wenn du beim Lesen das Gefühl bekommst, deine Figur hat die emotionale Bandbreite eines Drogenabhängigen, ist das deiner Geschichte nicht zuträglich. Lasse auch die leiseren Gefühle zu, die, die auch in unserem Leben eine große Rolle spielen.
[perfectpullquote align=“full“ bordertop=“false“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Wir fühlen alle ständig irgendetwas. Aber nicht in jeder Situation haben die Emotionen die Oberhand.[/perfectpullquote]
Zeichen 4: Du steigerst eine Emotion ins Unerträgliche.
Auf der ersten Seite ist deine Figur enttäuscht, weil jemand sie versetzt hat, auf der zweiten ist sie bedrückt, auf der dritten melancholisch, dann traurig und irgendwann depressiv? Braucht deine Geschichte das? Oder nutzt du die Steigerung der Emotion nur dazu, um die Situationen immer schlimmer werden zu lassen? Falls das zweite der Fall ist, solltest du das lassen. Denn nur, weil eine Emotion immer weiter gesteigert wird, wird sie nicht „besser“ oder mitreißender. Sie nutzt sich stattdessen im Verlauf der Geschichte immer weiter ab.
Auch hier gilt natürlich wieder: Wenn genau diese Steigerung der Emotion (zum Beispiel Liebeskummer bis zum Selbstmord) dein Thema ist, gilt diese Regel nicht. Ich spreche hier aber von einer Geschichte zu einem anderen Thema, bei dem die Emotionen unterstützenden Charakter haben.
Zeichen 5: Du hast jede Figur mit Emotionen ausgestattet.
Ja, wir sind alle emotionale Wesen. Ein Roman ist aber eben nicht das Leben, sondern eine Geschichte, die sich – mehr oder weniger – am Leben orientiert. Daher gibt es in Romanen Nebenfiguren, von denen man nur sehr wenig erfährt, und Statisten, die nur kurz aushelfen, um den Plot voranzutreiben. Und nicht jeder Rezeptionist, der gerade einen Hotel-Schlüssel ausgibt, muss fröhlich, traurig, genervt oder angewidert sein, damit man sich in ihn hineinversetzen kann. Denn das wollen Leser gar nicht. Sie haben mit deiner Haupt- und ein paar Nebenfiguren genügend Identifikationsfiguren, deren Emotionen relevant sind. Allen anderen musst du kein tiefes Gefühlsleben schenken.
Ich hoffe, dieser Artikel hat dir geholfen, Emotionen in deinen Texten gut zu dosieren und es nicht zu viel des Emotionalen werden zu lassen.