Hast du schon einmal darüber nachgedacht, deine Autobiografie zu schreiben? Vielleicht findest du ja, dass das nur etwas für Leute ist, die berühmter sind als du. Oder älter. Oder interessanter. Meiner Meinung nach ist es aber für jeden Menschen sinnvoll, sich (schreibend) mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. In diesem Artikel erkläre ich dir, warum das so ist, und gebe dir außerdem Tipps, wie du dich selbst deiner autobiografischen Erzählung annähern kannst.
Was genau ist eigentlich eine Autobiografie (und wer schreibt sie)?
Eine Autobiografie wird im Grunde durch drei Merkmale definiert.
- Es geht darin um eine persönliche Lebensgeschichte.
- Autor*in, Erzähler*in und Protagonist*in sind dieselbe Person. Das heißt, eine Autobiografie wird immer von dem Menschen geschrieben, dessen Geschichte sie erzählt. Diese Perspektive ist einzigartig.
- Und das Ganze wird aus der Retrospektive heraus geschrieben, also aus der Erinnerung. Falls du jetzt denkst: „Ja, klar, was denn sonst?“, sollte ich das genauer erklären: Die Autobiografie wird normalerweise nämlich nicht nur aus der Erinnerung heraus, sondern mit etwas Abstand geschrieben. Wenn du heute Abend in deinem Tagebuch deine heutigen Erlebnisse Revue passieren lässt, ist das nämlich noch keine Autobiografie. Das macht einen großen Unterschied, denn beim Schreiben besteht dann schon etwas emotionale Distanz zum Geschehen.
Und nein, nicht nur Prominente und Politiker*innen schreiben ihre Autobiografie (oder lassen sie durch Ghostwriter schreiben). Jeder Mensch kann das eigene Leben in der Rückschau beschreiben. Und zu jedem Zeitpunkt.
Also auch du.
Und wenn du das tust, passiert etwas mit dir. Im nächsten Abschnitt erzähle ich dir, was das ist.
[perfectpullquote align=“full“ bordertop=“false“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Es macht einen großen Unterschied, wann du über Erlebtes schreibst. Je weiter du zeitlich weg bist, desto größer wird auch die emotionale Distanz.[/perfectpullquote]
Was mit dir passiert, wenn du beginnst, autobiografisch zu schreiben
Eine Autobiografie zu schreiben, hat schon mal einen großen Vorteil: Du musst dir keine Story überlegen. Die ist schließlich schon da. Und niemand kennt sie so gut wie du.
Was du allerdings tun musst, ist diese Geschichte in eine sinnvolle Form zu bringen, damit sie nicht eine Aneinanderreihung von Anekdoten wird.
Was du also automatisch tust, wenn du deine Autobiografie schreibst, ist: Du ordnest das, was du in deinem Leben erlebt hast, zu einer sinnvollen Abfolge an. Du beschäftigst dich intensiv mit deiner Vergangenheit, suchst Zusammenhänge zwischen Entscheidungen und Ergebnissen, du ordnest Erlebtes in einen Kontext ein und nimmst dabei automatisch eine Beobachterrolle ein. Von etwas weiter weg verstehst du dann viel besser, was dein Leben bisher ausgemacht hat.
Kurz: Du gibst allem, was dir bereits geschehen ist, einen Sinn.
Das hat ganz viele tolle Nebeneffekte, für die das Wort „Neben…“ eigentlich nicht das richtige ist:
Du lässt alte Verletzungen los.
Ich kenne keinen Menschen, der nicht irgendwelche Verletzungen aus der Vergangenheit mit sich herumträgt, die ihn bis heute beeinflussen. Häufig reagieren wir in Situationen irrational oder überzogen, weil sie uns an Dinge erinnern, die lange zurückliegen und mit denen wir noch nicht abgeschlossen haben. Bei mir ist das auf jeden Fall so, und ich denke, wir alle haben da einiges aufzuarbeiten. Das bringt ein Leben einfach mit sich, egal, wie behütet man aufwächst.
Wenn du über Situationen schreibst, die in deiner Vergangenheit liegen und in denen du verletzt worden bist, erklärst du, wie es dazu kam, wie du dich gefühlt hast und – fast ganz automatisch – wie du diese Situation überwunden hast. Durch diese Reflexion lässt du los, was dich unbewusst so lange festgehalten hat.
Du schließt Frieden mit dir selbst.
Ich denke, wir alle haben auch Erinnerungen, an die wir nicht gerne zurückdenken, weil wir bereuen, was wir getan haben. Weil wir nicht unser Bestes gegeben haben, uns unfair unseren Mitmenschen gegenüber verhalten haben oder einfach nicht so waren, wie wir uns das von uns selbst wünschen.
Weißt du, wem das passiert?
Jedem. Einzelnen. Menschen.
Und wenn du anfängst, deine eigene Geschichte aufzuschreiben, wirst du feststellen, dass auch solche Momente genau das sind: eine Geschichte. Unter vielen. Die sich zu einem Lebensfluss mit Höhen und Tiefen verknüpfen.
Du erkennst, was dir im Leben wirklich wichtig ist.
Wenn du deine Autobiografie schreibst, stellst du irgendwann fest, dass ja wirklich alles miteinander zusammenhängt. Du erkennst das Motiv in deinem Leben. Und wenn du das kennst, kann das auch für die Zukunft alles für dich verändern, weil du vielleicht noch einmal ganz andere Wege ausprobieren und gehen wirst.
Du wirst Star deines Lebens.
Was braucht jede Geschichte? Genau. Eine Heldin. Oder einen Helden. Und dadurch, dass du über dein Leben schreibst, wirst du ganz automatisch dazu.
Denn dein Leben ist deine Geschichte. Alles, was passiert ist, steht mit dir in Zusammenhang. Und selbst, wenn nicht immer alles so läuft, wie du es dir aussuchen würdest, hast du doch jede Menge Einfluss darauf, wie du das Geschehen wahrnimmst. Und beeinflusst.
Dieser Perspektivwechsel kann deinem Leben eine ganz andere Qualität geben.
[perfectpullquote align=“full“ bordertop=“false“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Wenn wir unsere Autobiografie schreiben, geben wir allem, was uns geschehen ist, einen Sinn.[/perfectpullquote]
»Aber meine Lebensgeschichte interessiert doch sowieso niemanden!«
An dieser Stelle erzähle ich dir kurz, wie ich überhaupt auf das Thema Autobiografie gekommen bin. Ich frage regelmäßig an verschiedenen Stellen meine Kund*innen und Leser*innen, woran sie gerade arbeiten und was sie gerade auf dem Herzen haben. Und mehrfach kam als Antowrt: „Ich schreibe gerade meine Autobiografie.“
Und jedes Mal war ich hin und weg. Von der Idee, das zu tun, von den Geschichten, die sie anrissen, und von all den Dingen, die ich plötzlich durch andere Augen sehen konnte.
Denn zum einen findet jede Lebensgeschichte ja in einem sozialen Kontext statt. Wenn du über deine Kindheit erzählst, erfahren Leser*innen automatisch etwas über die Zeit und die Gegend, in der du großgeworden bist. Was für dich einfach ein Teil deiner Erinnerung ist, ist für andere ein absolut spannender Einblick in eine andere Welt.
Zum anderen werden Menschen auch Gemeinsamkeiten mit ihrem eigenen Leben feststellen. Und sich dadurch mit dir verbunden fühlen. Es gibt kaum eine leichtere Art, direkt eine tiefe Verbindung zu anderen herzustellen, als sie ganz offen an deinem Leben und deinen Gefühlen teilhaben zu lassen.
Und mit dem Schreiben deiner Autobiografie machst du genau das.
Also: Du wirst überrascht sein, wer alles an deiner Lebensgeschichte interessiert ist.
[perfectpullquote align=“full“ bordertop=“false“ cite=““ link=““ color=““ class=““ size=““]Es gibt kaum eine leichtere Art, direkt eine tiefe Verbindung zu anderen herzustellen, als sie ganz offen an deinem Leben und deinen Gefühlen teilhaben zu lassen.[/perfectpullquote]
Wie du ins autobiografische Schreiben kommst
Hab ich’s geschafft?
Bist du überzeugt und willst jetzt auch endlich deine Autobiografie schreiben?
Dann fragst du dich vielleicht, wo, wie und wann du damit anfangen sollst.
Und keine Sorge: Dafür habe ich eine Lösung parat. Du musst nämlich nicht sofort dein Leben von A bis Z beschreiben. Viel spannender für dich und deine Leser*innen sind ja die Erlebnisse, die herausragen, die dein Leben verändert oder ihm eine neue Bedeutung gegeben haben.
Ich empfehle dir daher, erst einmal ein paar wichtige Punkte in deinem Leben zu finden, über die du auf jeden Fall schreiben willst, und diese dann miteinander zu verbinden. Dadurch wirst du zum einen direkt einen roten Faden herausarbeiten, zum anderen wirst du automatisch weitere Erinnerungen identifizieren, die du ebenfalls in deine Autobiografie aufnehmen willst.
Für den Anfang habe ich dir fünf Anregungen für deine Autobiografie zusammengestellt, mit denen du starten kannst. Du musst natürlich nicht alle fünf Situationen beschreiben. Pick dir einfach eine heraus oder suche eine andere heraus, die dir in den Sinn kommt.
Die Hauptsache ist: Du fängst an.
Anregung 1: Deine früheste Erinnerung
Ganz ehrlich: Ich weiß nicht, was meine früheste Erinnerung ist. Ich habe mehrere Erinnerungen, die wahrscheinlich um die gleiche Zeit stattgefunden haben, aber ich weiß natürlich heute nicht mehr, welche davon früher war.
Es kommt hier aber auch gar nicht auf wissenschaftliche Korrektheit an. Viel wichtiger ist es, eine Erinnerung zu finden, die zum einen sehr weit in deien Kindheit zurückreicht und die zum anderen für dich eine Bedeutung hat. Darüber kannst du schreiben.
Anregung 2: Ein Streit
Wenn du an Konflikte in deiner Kindheit oder Jugend denkst, welcher kommt dir da als erstes in Erinnerung? Mit wem hast du gestritten und worüber? Welche Auswirkungen hatte dieser Streit für dich? Wie hast du dich verhalten und wie denkst du heute darüber?
Konflikte mit anderen Menschen prägen uns und sagen auch viel über das aus, was uns wichtig ist, über Grenzen, die wir setzen oder nicht akzeptieren wollen, und über Werte, die uns vielleicht sogar wichtiger sind als die Harmonie mit unseren Mitmenschen. Daher kann eine Erzählung über einen Streit auch ein guter Schlüssel für deine Autobiografie sein.
Anregung 3: Ein glücklicher Tag
So unbeschwert und glücklich wie in der Kindheit sind wir später nur noch selten. Denn es gibt zu viele Dinge, für die wir Verantwortung tragen, die uns ablenken oder die uns auch Sorgen bereiten.
Umso aufschlussreicher ist ein Blick in die Zeit, in der wir ganz natürlich im Hier und Jetzt waren und einfach nur glücklich. Wann war das? Was hast du getan und wie hast du dieses Glück erlebt?
Anregung 4: Ein Wendepunkt
Wahrscheinlich hast du auch schon Situationen erlebt, die dein Leben in eine andere Richtung gelenkt haben. Das kann plötzlich passieren – eine Begegnung, ein Geschenk, vielleicht auch ein Unfall oder eine unerwartete Trennung – aber auch geplant wie ein lange ersehnter Jobwechsel oder die Hochzeit mit dem Lieblingsmenschen.
Wendepunkte teilen dein Leben in ein Vorher und ein Nachher. Und verraten sehr viel darüber, wer du warst und wer du heute bist. Und wie du dorthin gekommen bist. Entsprechend ergiebig und wichtig sind sie für deine Autobiografie.
Anregung 5: Jemand, an den du lange nicht gedacht hast
Es gibt Menschen in jedem Leben, die eine Zeitlang sehr wichtig sind und von denen man denkt, dass sie für immer da sein werden. Dann verliren sich die Wege doch im Alltag. Und plötzlich hat man sogar jahrelang nicht mehr an die Person gedacht, die doch einmal eine zentrale Figur im eigenen Leben war.
Gibt es solche Menschen in deiner Vergangenheit? Dann schreibe über sie. Über das, was sie für dich waren. Über die Lücke, die sie hinterlassen haben. Und darüber, wie du sie gefüllt hast.
Ich hoffe, du findest hier eine Anregung für deine Autobiografie. Der Prozess des Schreibens macht Spaß und ist unglaublich heilsam. Und interessant für andere Menschen. Daher: Leg am besten gleich los damit!