Der erste Prompt, den ich je in ein KI-Tool tippte, lautete: „Schreib mir einen Blog-Artikel über Nachhilfe.“
Das war noch vor ChatGPT, das Wort „Prompt“ kannte ich noch nicht, und das Ergebnis … naja, es ging so. Für mich war damals klar: Das gibt nichts mit der Künstlichen Intelligenz. Hab ich mir angeguckt, brauch ich nicht. Ein Buch schreiben mit KI – das würde erst recht nie etwas werden.
Dann kam der November 2022 und mit ihm ChatGPT.
Kann KI ein Buch schreiben?
Mein Mann meinte nur: „Da gibt’s dieses neue Tool, das musst du dir anschauen.“
Schon die Oberfläche war nicht besonders einladend, meine Erwartungen eher gering.
Trotzdem tippte ich ein: „Schreibe mir einen Plot für einen Roman, in dem die Hauptfigur eine Expedition in die Arktis unternimmt.“
Und tatsächlich, in wenigen Sekunden stand da ein fertiges Handlungsgerüst. Nicht preisverdächtig, aber auch nicht schlechter als so manches Buch, das ich dann doch nicht zu Ende gelesen habe.
Es dauerte nicht lange, bis ich auf Facebook und YouTube Werbeanzeigen ausgespielt bekam, die mir erklärten, dass ich ein Buch mit KI in nur zwei Tagen schreiben könne. Ein neues Tool, eine neue Möglichkeit.
Und vielleicht fragst du dich auch: Kann ich ein Buch mit KI schreiben? Darf ich? Sollte ich?
Ich versuche mal, die Fragen so gut wie möglich zu beantworten. Aber vorher gibt’s noch einen kleinen Exkurs, um besser zu verstehen, was das eigentlich ist, „diese KI“.
Wie schreibt Künstliche Intelligenz Texte?
Als Jugendliche habe ich mir irgendwann einen Schachcomputer gekauft. Ich war ziemlich enttäuscht, als ich sah, dass ich die Schachfiguren für den Computer setzen musste. Hatte ich mir anders vorgestellt. Und so richtig gut spielen konnte er auch nicht – also verstaubte er in einer Ecke, bis ich ihn schließlich aussortierte.
In meiner Jugend (ist schon eine Weile her) hatten Schachcomputer nichts mit künstlicher Intelligenz zu tun. Sie enthielten eine Datenbank mit möglichen Zügen und konnten den wahrscheinlichsten ausrechnen und vornehmen. Nun ist es allerdings so, dass Schach sehr komplex ist und keine Datenbank der Welt alle möglichen Züge abbilden kann.
Das Spiel Go ist sogar noch komplexer und hat noch mehr mögliche Züge. Es ist nicht möglich, mit einer Datenbank einen wirklich starken Go-Computer zu entwickeln. Aber anders war es möglich, nämlich mit künstlicher Intelligenz, und zwar in Form von AlphaGo. AlphaGo lernte nämlich das Spiel – die Regeln wurden einprogrammiert und etliche Partien. Anhand dieser konnte AlphaGo dann Muster erkennen und Strategien entwickeln – und Züge durchführen, die in keiner der Partien vorgekommen waren. Außerdem spielte es Millionen von Partien gegen sich selbst – wie ein Kind, das einen Tennisball gegen eine Wand wirft – und wurde so besser und besser.
Ähnlich funktionieren auch LLMs (Large Language Models, Sprachmodelle) wie ChatGPT oder Claude. Auch sie wurden trainiert – mit Büchern, Artikeln, Transkripten, Foreneinträgen und Gesprächen. Die Regeln der Sprachen lernen sie dabei aus den Texten selbst. Wortgruppen, die oft zusammen auftreten, die Struktur von Texten, unterschiedliche Sprachstile und natürlich Dinge wie Grammatik und Rechtschreibung. Wie Muttersprachler*innen Regeln oft auch aus dem Gebrauch der Sprache lernen, ohne dass man sie ihnen erklären muss, erfassen KI-Tools diese aus den vielen Texten, mit denen sie trainiert wurden. Und mit diesen erlernten Regeln kann Künstliche Intelligenz dann eigene, neue Texte schreiben. Wer schreiben will, sollte viel lesen – den Tipp hast du ja sicher auch schon mal gehört.
Warum ich das so ausführlich erkläre? Ich begegne leider immer noch jede Woche der Überzeugung, dass KI „einfach Texte im Internet sucht und zusammenkopiert“. Das stimmt so nicht – der Vorgang dahinter ist etwas komplexer. Aus all dem, was die KI „gelesen“ hat – also aus den Millionen von Texten, auf denen sie trainiert worden ist – erstellt sie neue Texte. Das machen wir als Menschen auch nicht anders – alle Eindrücke, Erfahrungen, gelesenen Bücher sammeln sich in uns, und wir können daraus dann etwas Neues erschaffen.
Und nun zu den drei Fragen: Kann ich? Darf ich? Sollte ich?
Kann ich mit KI ein Buch schreiben?
Ja, klar, das geht. Ist sogar ziemlich einfach.
Du kannst mit der kostenlosen Variante von ChatGPT und guten Prompts ein einfaches Buch schreiben lassen. Wenn du das machen möchtest, entwickelst du es am besten „von oben nach unten“ – also beginnend mit dem Thema, Titel, Untertitel, dann die Struktur und schließlich die Kapitel. Wahrscheinlich brauchst du nicht mal zwei Tage dafür.
Allerdings wird sich dieses Buch nicht nach dir anhören und auch nicht deine persönlichen Gedanken, Beispiele und Geschichten enthalten. Dazu später mehr.
Darf ich mit KI ein Buch schreiben?
Also, verboten isses nicht. Für deinen privaten Gebrauch schon mal sowieso nicht.
Wenn du es veröffentlichen möchtest, gibt’s natürlich ein paar Dinge zu beachten, denn dann ist das Ganze keine Privatsache mehr.
An Büchern, die du mit KI schreibst, hast du schon mal kein Urheberrecht. Denn Urheber*in kann nur ein Mensch sein. Die meisten KI-Tools räumen jedoch sehr weitreichende Nutzungsrechte ein. Diese variieren von Tool zu Tool – schau dir die Nutzungsbedingungen des Anbieters also auf jeden Fall an.
Mit der KI-Verordnung der EU kommt außerdem eine Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte. Wie die genau aussehen wird, ist noch nicht klar. Die Verordnung trat 2024 in Kraft, die Bestimmungen gelten jedoch erst nach einer Übergangszeit von zwei Jahren.
Bereits heute haben Verlage und auch Selfpublishing-Anbieter wie Amazon KDP Richtlinien zum Umgang mit KI entwickelt, an die du dich natürlich auch halten musst. Amazon verlangt beispielsweise eine Kennzeichnung KI-generierter Inhalte.
Ganz unabhängig davon ist diese Transparenz auch fair deinen Leser*innen gegenüber.
Immer wieder diskutiert wird außerdem die Frage, ob die Urheber*innen der Texte, mit denen die KI trainiert wurde, gegenüber Unternehmen und Nutzer*innen Ansprüche geltend machen können. Da die KI noch recht jung ist, gibt es hier noch keine Regelungen und keine Rechtsprechung.
Sollte ich ein Buch mit KI schreiben?
Eigentlich ist das ja die große Frage: Ist es sinnvoll und/oder vertretbar, Künstliche Intelligenz zu nutzen, um ein Buch zu schreiben?
Damit betreten wir dann das Land der Meinungen, und ich verrate dir gerne meine.
Die Frage beantworte ich mit einem deutlichen „Ja, klar, äh, nein, ich mein … Jein.“
Ich finde es grundsätzlich und in jedem Fall sinnvoll, sich mit Künstlicher Intelligenz auseinanderzusetzen. Ich verstehe, wenn Menschen Berührungsängste haben. Nur: Wir haben im Alltag an so vielen Stellen mit KI zu tun, ohne uns Gedanken darüber zu machen. Bei Text- und Bild-Tools haben wir dagegen die Chance, direkt zu lernen, was KI tut und wie sie funktioniert. Diese Technologie ist jetzt schon nicht mehr wegzudenken, und es wird in naher Zukunft genauso unmöglich sein, sich ihr zu verweigern wie es das beim Internet oder Smartphones ist. Ich persönlich sammle gerne Wissen und Erfahrungen, statt die Augen vor Veränderungen zu verschließen.
Ein ganzes Buch damit schreiben, würde ich nicht. Und ich würde es auch niemandem empfehlen. Zunächst mal, weil du mit deinem Buch ja eine Botschaft in die Welt schicken willst – und die kann aus niemand anderem als aus dir kommen. Bücher sind Verbindungen von Mensch zu Mensch. Und wenn du diese Verbindung auslösen willst, sollte der Text aus dir kommen, deine persönliche Geschichte widerspiegeln, deine Sprache nutzen, deinen Humor. Und nicht zuletzt ist Schreiben ein zutiefst befriedigender und transformierender Prozess, um den du dich meiner Meinung nach nicht bringen solltest.
Ja, es ist Arbeit.
Aber was für eine.
Du kannst KI aber auch für dein Buch nutzen, ohne dass du es gleich damit schreibst. Hier sind ein paar Ideen dazu.
Wie du KI für dein Buch sinnvoll einsetzen kannst
- Du kannst Ideen brainstormen – für den Titel, fürs Cover, für Kapitelüberschriften, für Namen …
- Hast du auch Lieblingswörter? Lass dir Synonyme durch die KI vorschlagen.
- Lass deine Videos und Audio-Dateien transkribieren und zusammenfassen, damit du deine bestehenden Inhalte besser nutzt.
- Die KI kann dein persönlicher Schreibcoach sein. Du kannst dir ein Feedback auf deine Texte geben lassen und dich so verbessern.
- Lass dich beim Elevator Pitch, bei der Verlagsrecherche und beim Buchmarketing unterstützen.
KI-Tools, die du für dein Buch nutzen kannst
Es gibt mittlerweile mehrere sehr gute Tools für das Schreiben mit KI. Meine Favoriten sind ChatGPT (weil ich das bereits am längsten nutze) und mittlerweile immer mehr Claude, das natürlichere Texte formuliert. Daneben bringt ein Buch-Projekt natürlich auch andere Anforderungen mit sich, für die du Künstliche Intelligenz nutzen kannst (siehe dazu mehr im nächsten Abschnitt). Hier ein Überblick über die wichtigsten Tools:
Schreiben
ChatGPT von OpenAI
- Es gibt ein kostenloses Basis-Modell und eine kostenpflichtige Version mit mehr Funktionen.
- ChatGPT kannst du besonders gut einsetzen für Brainstorming, Textüberarbeitung, Strukturierung.
Claude von Anthropic
- Auch hier gibt es eine kostenlose und eine kostenpflichtige Variante.
- Claude kann besonders gut komplexe Zusammenhänge verstehen und erklären und auch längere Texte lesen und erstellen.
- Der Schreibstil ist nicht so „enthusiastisch“ wie bei ChatGPT, das ja häufig alles großartig und genial findet.
Grafikerstellung
Vielleicht möchtest du Bilder und Grafiken in deinem Buch nutzen und diese von KI erstellen lassen. Theoretisch kannst du sogar dein Cover von KI entwerfen lassen. Ich nutze die Tools gerne, um zum Beispiel eine Vorlage zu erstellen, über die ich dann mit einer Designerin sprechen kann – das ist oft einfacher, als Bilder zu beschreiben.
Folgende Tools kannst du nutzen, um Grafiken zu erstellen:
- In Canva kannst du KI-Bilder schon in der kostenlosen Version erstellen lassen.
- DALL·E ist die Bild-KI von OpenAI. Du kannst es direkt über ChatGPT nutzen, indem du es bittest, ein Bild zu erstellen.
- MidJourney ist das wohl bekannteste Bilderstellungstool. Die Bilder sind qualitativ sehr hoch, das Prompting ist aber auch ein bisschen schwieriger. MidJourney ist kostenpflichtig.
- Napkin ist ein kostenloses KI-Tool (es gibt auch eine Premium-Variante), mit dem du einfache Illustrationen erstellen lassen kannst.
KI-Tools für Bild und Ton
Wenn du ein Hörbuch erstellen oder dein Buch bewerben möchtest, kannst du auch Audio- und Video-Dateien durch KI erstellen lassen. Mit ElevenLabs kannst du zum Beispiel einen Klon deiner eigenen Stimme erstellen und damit Texte in Studio-Qualität lesen lassen. HeyGen kann das sogar mit Videos. Hier ist allerdings noch recht gut erkennbar, dass es sich um KI handelt.
Welches Tool du tatsächlich brauchst, hängt natürlich davon ab, was du vorhast und wie weit du dich von KI bei deinem Buch unterstützen lassen willst. Für die meisten Zwecke reicht die kostenlose Version von ChatGPT, und wenn du bisher noch gar nichts mit KI zu tun hattest, ist das auch ein guter Einstieg.
Kunst im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit
Nun werde ich zum Schluss noch ein wenig philosophisch. Du hast bis hierhin gelesen, also denke ich, dass das okay ist.
Walter Benjamin hat 1935/1936 den Essay „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ veröffentlicht. Denn die Verbreitung von Fotografie und Film hatte einen radikalen Einfluss auf die Wahrnehmung von Kunst: Plötzlich ließ sich jedes Gemälde vervielfältigen – wodurch es seine Einzigartigkeit und auch seinen Kontext verlor. Auch die Wahrnehmung der Kunst veränderte sich dadurch – und der Zugang zu ihr.
Seit ich mich mit Künstlicher Intelligenz beschäftige, denke ich oft über den Essay nach. Denn die Technologie ist einen riesigen Schritt weiter – nicht mehr das Kunstwerk, sondern die Kunst an sich, der Prozess der Erstellung ist technisch reproduzierbar geworden. Auch hier ändern sich die Wahrnehmung, der Kontext und die Einzigartigkeit. Aber auch der Zugang. Nicht für jeden ist es leicht, einen gut formulierten Text zu schreiben. KI macht das einfacher und sorgt damit für bessere Chancengleichheit.
Am Ende ist es natürlich wie bei allen Dingen: Es kommt immer darauf an, wie wir etwas einsetzen. Am besten so, dass es uns als Individuen und als Gemeinschaft unterstützt.
Wie siehst du das? Sollte man ein Buch mit Künstlicher Intelligenz schreiben?