Zum ersten Mal vom „Stufendiagramm“ gehört habe ich in James N. Freys Wie man einen verdammt guten Roman schreibt. (Anmerkung: Wenn du diesen Schreibratgeber noch nicht kennst, solltest du ihn dir auf jeden Fall zulegen, denn er ist extrem strukturiert, umfassend und motivierend.) Doch auch andere Autoren und Schreib-Coaches verwenden Stufendiagramme, um den Aufbau ihrer Texte zu planen. Da der Begriff nicht selbsterklärend ist und du vielleicht bisher nicht damit in Berührung gekommen bist, stelle ich dir heute diese Methode vor. Denn das Stufendiagramm kann sehr hilfreich beim Aufbau deiner Texte sein.
Was ist ein Stufendiagramm?
Ein Stufendiagramm ist ein systematischer Überblick über den Aufbau deines Romans, den du erstellst, bevor du mit der eigentlichen Textarbeit beginnst.
Der Begriff ist ziemlich irreführend, denn das Stufendiagramm hat weder etwas mit Stufen noch mit einem Diagramm zu tun. Der Begriff ist wahrscheinlich das Ergebnis einer etwas unglücklichen Übersetzung des englischen Begriffs „Step Sheet“, was so viel wie „Schritte-Blatt“ heißt und genau in dieser Bedeutung auch fürs Tanzen benutzt wird.
Im Grunde ist ein Stufendiagramm also nichts anderes als ein Ablaufplan für deine Geschichte. Insofern handelt es sich hier eher um eine Methode als um etwas so Konkretes wie ein Diagramm.
Damit ist auch schon der wichtigste Punkt genannt. In diesem Plan hältst du den Plot deiner Story fest, das heißt, du schreibst genau auf, was wann passiert. Eine weit verbreitete Möglichkeit ist, die verschiedenen Kapitel oder sogar Szenen, die dein Roman umfassen soll, nacheinander aufzulisten und in kurzen Sätzen zu beschreiben. Das bedeutet, das Stufendiagramm entsteht, bevor du den ersten Satz für deinen eigentlichen Text schreibst. An ihm hangelst du dich beim Schreiben entlang und füllst es währenddessen mit Leben.
Wozu brauchst du ein Stufendiagramm?
Mit Hilfe eines Stufendiagramms bringst du Ordnung in deine Geschichte. Wenn du dich vor dem Schreiben sehr genau damit auseinandersetzt, in welcher Reihenfolge die Dinge passieren werden, wer daran beteiligt ist, und was voraus folgt, wird es dir im Anschluss sehr viel leichter fallen, den eigentlichen Text zu schreiben.
Das Stufendiagramm hilft dir also dabei, eine Struktur zu schaffen, bevor du richtig loslegst. Mit Hilfe dieser Struktur ebnest du den Weg für einen konzentrierten Schreibprozess im Anschluss. Außerdem vermeidest du logische Fehler, denn natürlich ist so ein Stufendiagramm deutlich übersichtlicher als der fertige Text. Wenn du bei der Erstellung merkst, dass die einzelnen Szenen und Elemente doch nicht so ineinander greifen, wie du es dir gedacht hattest, kannst du immer noch mit relativ geringem Aufwand Änderungen vornehmen.
Während des Schreibens verschafft dir dein Stufendiagramm außerdem einen permanent guten Überblick über das Geschehen. Du weißt dadurch jederzeit genau, wo im Roman und in der Handlung du dich befindest, was noch kommen wird und was bereits geschehen wird. Dadurch kannst du besser entscheiden, ob eine Szene so, wie du sie aufbaust, funktioniert oder nicht.
Wie ist ein Stufendiagramm aufgebaut?
Es gibt keinen vorgeschriebenen Aufbau für ein Stufendiagramm. Du bist hier also absolut frei, ein für dich passendes Format zu finden. Bewährt hat sich, zunächst einmal alle Kapitel aufzulisten. Wenn du dich an einer Akt-Struktur orientieren möchtest, kannst du zum Beispiel zunächst die Einteilung in Einleitung, Hauptteil und Schluss vornehmen. Danach kannst du für jeden Teil den Inhalt grob beschreiben. Anschließend kannst du diese in Kapitel und dann in Szenen aufteilen.
Die Beschreibung jeder einzelnen Szene sollte mindestens die Elemente Ort, Zeit, handelnde Figuren und Inhaltszusammenfassung enthalten.
Welches Tool du für die Erstellung deines Ablaufplans benutzt, ist ebenfalls nicht festgelegt. Die einfachste Vorgehensweise ist, wenn du dasselbe Tool wie fürs Schreiben nutzt. Wenn du beispielsweise Word für deinen Roman einsetzen willst, kannst du auch das Stufendiagramm schon in Word anlegen. Dann kannst du eine Kopie dieser Grundstruktur beim Schreiben zu Grunde legen und die einzelnen Szenen in Word direkt überschreiben, ausarbeiten und inhaltlich verfeinern. So wird wirklich aus deinem Gerüst am Ende der fertige Roman.
Ebenso eignen sich natürlich Karteikarten oder Software-Programme, die solche Karteikarten simulieren. Der Vorteil hieran ist, dass du einzelne Szenen leicht verschieben kannst und damit ausprobieren kannst, ob sie nicht vielleicht woanders noch besser hinpassen.
Hinweis: Ich selbst habe in diesem Zusammenhang gute Erfahrungen mit der Software yWriter gemacht, in der du ganze Szenen verschieben kannst. Für den Mac ist Scrivener ein bekanntes Schreib-Programm, das ebenfalls solche Funktionen umfasst.
Wie arbeitet man sinnvoll mit dem Stufendiagramm?
Ein gutes Stufendiagramm kann dich während des gesamten Schreib-Prozesses begleiten. Du arbeitest in ihm deine ersten Ideen weiter aus, bringst Struktur in deine Geschichte und formst mit seiner Hilfe den Inhalt des Romans final zu dem, was er werden soll.
Während du deinen Roman ausbaust, kannst du jederzeit in dein Stufendiagramm schauen und überprüfen, ob du noch der ursprünglich festgelegten Geschichte folgst oder ob du in Plot-Schwierigkeiten läufst, weil du künftige Entwicklungen nicht rechtzeitig bedacht hast. Du kannst den Ablauf deiner Story umbauen und sofort im Plan schauen, ob auch deine neue Reihenfolge funktioniert. Und du hast immer einen guten Überblick darüber, wann welche Figur an welchem Ort sein soll. Damit hast du also eine Basis, an der du dich die ganze Zeit orientieren kannst.
Ich persönlich nutze nicht immer ein Stufendiagramm, um meine Texte vorzubereiten. Denn auch, wenn es eine tolle Unterstützung ist, die den gesamten Prozess vereinfacht, ist damit sehr viel Arbeit verbunden. Diese stecke ich auch gerne „direkt“ in den Text. Diese Arbeit solltest du nicht unterschätzen. Ein gut ausgearbeitetes Stufendiagramm für einen Roman kann gut und gerne 50 bis 60 Seiten umfassen. Du wirst also einige Tage, wenn nicht sogar Wochen, damit beschäftigt sein.
Bei umfangreichen Projekten lohnt sich diese Arbeit jedoch allemal, denn man spart die Zeit später auf jeden Fall wieder ein. Wichtig ist, das du für dich selbst einen guten Weg findest, die Arbeit am Stufendiagramm später gut in den finalen Text einfließen zu lassen. Dann hast du zumindest nichts „umsonst“ gemacht.